Wann ist eine Pause erholsam?
Richtig entspannen in Job und Freizeit
Viele Menschen vernachlässigen die Pausen. Sei es durch Druck von außen oder weil sie sich selbst antreiben. „Durchhalten!“ lautet oft die Devise. Ob während der Arbeit oder im Familienalltag: Pausen helfen dabei, Stress abzubauen, Energie zu tanken und entspannt arbeiten zu können. Doch wie lang sollte die Pause sein und wie sollten wir sie gestalten? Warum auch kleine Pausen wichtig sind und welche Rolle die Achtsamkeit spielt, weiß Dr. Sylvia Böhme, Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin bei der AOK.
„Wer zu wenig Pausen einlegt, wird langsamer, schneller krank, verliert an Motivation, macht Fehler, und an entsprechenden Arbeitsplätzen steigt die Unfallgefahr“, betont Psychologin Böhme. Langfristig kann Durcharbeiten zu chronischer Erschöpfung und anderen psychischen und körperlichen Erkrankungen führen. Pausen sind demnach kein Luxus, sondern notwendig, damit wir leistungsfähig und gesund bleiben.
Häufig fallen Pausen im Job aus
Doch gut ein Viertel der Beschäftigten berichtet, dass Pausen häufig ausfallen. Das besagen die Daten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Und fast die Hälfte der Befragten fühlt sich müde, matt und erschöpft. Dabei sind die positiven Effekte von großen und kleinen Auszeiten inzwischen gut belegt: Blutdruck und Blutzuckerspiegel sinken, das Herz schlägt langsamer – Erholungszeiten senken demnach das Risiko für Herzprobleme. Angespannte Muskeln in Nacken, Schultern, Armen, Händen, Rücken entspannen sich – das beugt orthopädischen Problemen vor. Die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol geht zurück, sodass das Risiko für viele Erkrankungen wie Depressionen, Stoffwechselstörungen, Immunerkrankungen und Schlafstörungen sinkt. Die Atmung wird tiefer, der Kopf freier, es entsteht Raum für Kreativität.
In Erholungsphasen wird im Gehirn das „default mode network“ (deutsch: Ruhezustandsnetzwerk) aktiviert: Die Gedanken schweifen zu persönlichen Erlebnissen in der Vergangenheit oder Zukunft, wir denken über andere oder über uns selbst nach – eine Möglichkeit, sich zu sortieren, Erlebnisse zu verarbeiten und innerlich Abstand zur Arbeit zu gewinnen. AOK-Expertin Dr. Böhme: „Pausen steigern also unsere Motivation und Leistungsfähigkeit, verbessern unsere Stimmung, beugen Krankheiten vor, wirken Müdigkeit entgegen und sind eine Gelegenheit, innezuhalten.“
Für inneren und äußeren Abstand sorgen
Doch nicht jede Arbeitsunterbrechung bringt die erhoffte Entspannung. Am Bildschirm sitzen bleiben, nebenher ein Brot essen, im Smartphone die Nachrichten checken: Solche Pausen sind wenig erholsam. Für den Erholungseffekt etwa im Job gibt es zwei Empfehlungen: „Wir sollten, wenn möglich, den Arbeitsplatz verlassen, damit wir auch innerlich Abstand von der Arbeit bekommen“, sagt Psychologin Böhme. „Und wir sollten etwas anderes machen als bei der Arbeit.“Wenn wir immer am Bildschirm sitzen, ist es gut, mal aufzustehen und uns ein wenig zu bewegen, vielleicht frische Luft oder Sonnenlicht zu tanken. Wenn wir körperlich arbeiten, sorgt Ausruhen für Regeneration.“
Pausen während der Arbeitszeit
Gesetzlich ist erst nach sechs Stunden Arbeitszeit eine mindestens halbstündige Ruhepause vorgeschrieben, nach neun Stunden eine Pause von mindestens 45 Minuten. Doch die arbeitspsychologische Forschung zeigt: Einige kurze Pausen sind besser als eine lange. Dafür gibt es mehrere Erklärungen: „Zu Beginn einer Pause ist der Erholungseffekt am stärksten. Mit zunehmender Pausenlänge nimmt dieser Effekt ab“, so Dr. Böhme. Zudem summiert sich bei einer längeren Arbeitszeit am Stück die Beanspruchung und kann zu stärkerer Ermüdung führen. Dann reicht eine halbe Stunde möglicherweise nicht mehr, um wieder erfrischt zu sein.
Auch eine Minute hat einen Effekt
Solche kürzeren Pausen können in den Arbeitsalltag integriert werden, indem beispielsweise die Treppe hoch zu einer anderen Abteilung genutzt wird oder man beim Gang zur Kaffeeküche kurz nach draußen blickt. Selbst solche Kurz- oder Mikropausen, die weniger als eine Minute dauern können, haben einen Effekt. „Achtsamkeit bedeutet, sich ganz ins Hier und Jetzt zu begeben und dabei bewusst mit allen Sinnen wahrzunehmen, statt an die nächste Arbeitsaufgabe und den nächsten Termin zu denken“, sagt Böhme.
Die Sinne schärfen
Wie erlebe ich den Moment achtsam? Dafür können wir unsere Sinne schärfen: Wie fühlt sich die Türklinke an? Wie riecht der Kaffee? Wie schmeckt der Apfel? Und warum nicht beispielsweise das Händewaschen bewusster gestalten? Wie fühlt es sich an, die Fingerzwischenräume einzuseifen? Wie fühlen die Hände sich vor dem Waschen an und wie danach? Unsere Aufmerksamkeit kann sich auch nach innen richten: Wo sind Verspannungen im Körper? Wie fühle ich mich gerade? Wir können die eigene Atmung verfolgen: Atme ich flach und schnell oder tief und langsam in den Bauch? Achtsamkeit kommt so unspektakulär daher, gibt aber Kraft, wenn man sie im Arbeitsalltag praktiziert: „Achtsamkeit entschleunigt, entspannt und verbessert die Regulation von Emotionen und die Fähigkeit zur Konzentration. Letztlich ist es ein Akt der Selbstfürsorge“, betont AOK-Expertin Böhme.
Auch längere Pausen nicht vergessen
Spätestens bei einer längeren Pause sollte man für räumliche Distanz sorgen, sich in die Kantine oder in ein Restaurant begeben oder einen Spaziergang machen. Wenn man an seinem Arbeitsplatz viel redet, ist eine Pause in Stille womöglich wohltuend und umgekehrt: Arbeitet man viel für sich, kann ein Treffen mit Kollegen anregend sein. Stellt sich nach dem Mittagessen Müdigkeit ein, spricht zumindest im Homeoffice nichts dagegen, sich ein kurzes Nickerchen zu gönnen. Schon wenige Minuten sorgen für mehr Energie. In vielen japanischen und US-amerikanischen Unternehmen gehört der Powernap („nap“ bedeutet auf Deutsch „Nickerchen“), also der sehr kurze Mittagsschlaf, ganz offiziell zur Unternehmenskultur.
Neben den Pausen während der Arbeit haben natürlich auch die Erholungsphasen zwischen den Arbeitszeiten ihren Stellenwert: Rein rechtlich ist nach Arbeitsende eine Ruhezeit von mindestens elf Stunden einzuhalten. Und die richtig lange Pause, nämlich der Urlaub, sollte mindestens zehn Tage dauern, damit sich eine wirkliche Erholung einstellt. Auch beim Urlaub heißt es: Ortswechsel angeraten. Und möglichst vertreten lassen sowie nicht per Mail oder Anruf erreichbar sein.
Quelle Text: AOK – Medienservice, 26.07.2023, Link
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